Dorna-CEO Carmelo Ezpeleta will Honda und Yamaha mit starken technischen Zugeständnissen auf die Sprünge helfen. Doch KTM und Aprilia wollen lieber die Ducati-Vorherrschaft einbremsen. Ein Kompromiss bahnt sich an.
Obwohl die japanischen MotoGP-Hersteller in diesem Jahr immer wieder respektable Ergebnisse und Achtungserfolge erzielt haben, werden die Dorna-Verantwortlichen für die kommende Saison nach langwierigen Gesprächen, die bereits vor der Dutch-TT in Assen im Juni begonnen haben, den unterlegenen Werken Honda und Yamaha technische Zugeständnisse für 2024 zubilligen.
Die Verhandlungen sind zäh verlaufen, weil sich Werke wie Aprilia und KTM mehr damit beschäftigten, wie man die Übermacht von Ducati beschneiden könnte.
Doch Dorna-CEO Carmelo Ezpeleta tut sich schwer damit, Ducati für die innovative Technik und die zielführende Politik von Ducati Corse General Manager Gigi Dall’Igna zu bestrafen.
Ducati hat rechtzeitig die nötige Logistik für drei Kundenteams aufgebaut und konkurrenzfähige Bikes zu christlichen Preisen angeboten. Aprilia Racing hingegen hatte vor drei Jahren noch kein Motorrad, das bei einem Kundenteam Interesse erweckte. Und Suzuki sah sich immer außerstande, ein Satellitenteam zu beliefern.
Also einigten sich Mooney VR46 und Gresini mit Ducati, denn Rossi übernahm nach 2021 die zwei Avintia-Ducati-Slots – und Fausto Gresini bevorzugte bereits vor seinem Tod (durch Corona) den Wechsel zu Ducati, nachdem er sieben Jahre lang seine beiden Plätze dem Aprilia-Werksteam bis Ende 2021 zur Verfügung gestellt hatte.
Es ist ein offenes Geheimnis: Jeder MotoGP-Hersteller, der neben einem Werksteam ein Kundenteam betreibt, bekommt von der Dorna 3 Millionen Euro im Jahr. Aber Yamaha hat das WithU-RNF-Kundenteam von Razlan Razali nach 2022 verloren und hofft jetzt auf eine Einigung mit Rossis VR46-Mannschaft für 2025.
Jetzt werden in einigen Bereichen neue «concessions» zugunsten von Honda und Yamaha beschlossen. Da im Hersteller-Bündnis MSMA nicht in allen Einzelheiten Einigung erzielt wurde, wird Dorna-CEO Carmelo Ezpeleta ein Machtwort sprechen und den Japanern zur Rettung der Meisterschaft technische Zugeständnisse machen.
Beim Katar-GP 2022 wurde von der Dorna vorgeschlagen, beide Front und Rear Devices per 2024 zu verbieten. Doch die Mehrheit der Werke plädierte für die Beibehaltung der Rear Ride Height Devices. Also wurde nur das Front Device verbannt – gleich für die Saison 2023.
Die große Diskussion wegen der Concessions lautet jetzt: Was soll den Japanern alles erlaubt werden, damit sie nicht womöglich den Krempel hinschmeißen wie Suzuki Ende 2022? Und soll man Honda und Yamaha wirklich dafür belohnen, dass sie die Entwicklung in manchen Bereichen verschlafen haben?
Honda und Yamaha zu gut für Concessions?
Pit Beirer, Motorsport-Direktor der Pierer Mobility AG mit den Marken KTM, GASGAS und Husqvarna, erklärte schon beim Misano-GP im September, der Abstand von Ducati zum Rest des Feldes in der Marken-WM sei größer als der Abstand von KTM und Aprilia und Yamaha und Honda. Deshalb solle man überlegen, ob man gegenüber Ducati nicht negative Concessions verordnen sollte, ihnen also Erschwernisse bereiten, bevor man die Japaner mit positiven Concessions beflügelt.
Bei seinem gestrigen fünften Platz von Fabio Quartararo auf der schnellen Piste von Sepang (Schnitt 166,3 km/h) legte der Franzose in der 20. und letzten Runde mit 2:01,0 min genau die gleiche Rundenzeit vor wie Sieger Enea Bastianini. «Wenn Yamaha Concessions braucht, sollten KTM und Aprilia auch welche bekommen», stellte Pit Beirer gegenüber SPEEDWEEK.com fest.
Nachsatz des KTM-Strategen: «Denn Yamaha hat uns mit Fabio bei den letzten sechs Rennen dreimal besiegt.»
Auch Honda hat trotz der vielen Schlappen gemäß dem aktuellen Concessions-Reglement keine Zugeständnisse verdient.
Denn im Vorjahr sicherte sich HRC zwei Podestplätze (Platz 3 von Pol Espargaró in Doha, Rang 2 von Márquez auf Phillip Island). In diesem Jahr gelang Honda der Sieg von Alex Rins in Texas und Platz 3 von Marc Márquez in Japan. Dazu stand Marc einmal auf dem ersten und zweimal auf dem zweiten Startplatz. In Misano und Buriram hielt der Spanier mit zwei siebten Plätzen ebenfalls wacker mit.
«Honda hätte in den letzten Jahren vielleicht eher Geld in die Bike-Entwicklung statt in die Fahrergagen investieren sollen», gab Beirer zu bedenken. Denn Márquez soll in den letzten drei Jahren zwischen 18 und 20 Millionen Euro Jahresgage kassiert haben.
Aprilia offenbart in der Saison 2023 zwischendurch immer wieder Schwächen: Aleix Espargaró, WM-Vierter 2022, hat seit dem Sieg in Barcelona 2023 bei sieben Grands Prix keinen Podestplatz mehr erreicht, Yamaha hingegen zwei. Aber die Concessions sind nur für die Japaner vorgesehen.
Wird Ducati jetzt eingebremst?
Dorna-CEO Carmelo Ezpeleta (77) steckt in der Zwickmühle. Denn als Inhaber der kommerziellen GP-Rechte will die Dorna spektakulären Sport präsentieren, gleichzeitig sollen aber aus wirtschaftlichen Gründen die großen japanischen Konzerne bei Laune gehalten werden.
Und ob es fair ist, Ducati Corse wegen der unbeschreiblichen Innovationskraft und der siegreichen Bikes durch irgendwelche Raffinessen einzubremsen, darf bezweifelt werden.
«Wir können Ducati schwer dafür bestrafen, dass sie innovativ sind und das Reglement am besten studiert haben», ist sich Ezpeleta bewusst. «Sie machen alles im Rahmen der geltenden Vorschriften. Jetzt fordern manche Gegner, wir sollen Ducati einige Dinge wegnehmen. Ich kann doch nicht zu Ducati gehen und sagen: ‘Sorry, ihr seid zu gut. Wir müssen euch einbremsen.' In der Formel 1 wird Red Bull Racing auch nicht eingebremst, genauso wie Mercedes jahrelang nicht künstlich eingeschränkt wurde.»
Massimo Rivola, CEO von Aprilia Racing, forderte im Interview mit SPEEDWEEK.com schon im Sommer, man möge in der MotoGP-WM die maximale Anzahl von Kundenteams auf zwei limitieren.
Ducati hat drei – und kann damit mehr Daten sammeln als alle andern und bei wechselhaftem Wetter schon am Freitag mehr Reifen und Set-ups testen als die Gegner.
Aber die Kundenteams von Mooney VR46 und Gresini Racing haben sich 2022 für Ducati entschieden, weil die Italiener die besten Bikes zum fairsten Preis liefern, dazu eine ausgezeichnete Logistik und einen konkurrenzlosen On-Track-Technical-Support.
In Sepang betonte Ducati-Rennchef Gigi Dall’Igna, es komme nicht in erster Linie auf die Anzahl der Bikes im Feld an, sondern auf deren Qualität. «Aprilia hatte 2022 kein Kundenteam, sie haben aber lange um die Weltmeisterschaft gekämpft. 2023 setzen sie erstmals ein Kundenteam ein. Man kann aber nicht behaupten, dass sie dadurch stärker geworden sind.»
Dieses Argument lässt sich nicht von der Hand weisen.
Außerdem: Die Dorna unterstützt jeden MotoGP-Hersteller, der ein Kundenteam einsetzt, mit 3 Millionen Euro im Jahr. Aber für das zweite und dritte Satellitenteam gibt es keinen Euro zusätzlich.
Yamaha hat 2023 diese Einnahmen plus die Einnahmen für die Leasinggebühren für zwei Fahrer (sie liegen bei 5 Mio Euro) verloren. Denn das RNF-Team ist zu Aprilia übergelaufen.
Da keine Aussicht mehr besteht, dass in der Hersteller-Vereinigung MSMA unter den fünf Werken eine Einigung für die heikle Concessions-Frage erzielt wird, werden die Dorna-Verantwortlichen ein Machtwort sprechen und einen Kompromiss suchen, der dann Honda, Yamaha, Ducati, Aprilia und KTM vorgeschlagen wird.
So wird jetzt überlegt, künftig die erlaubte Anzahl von Testreifen pro Werk und Saison von 200 auf 170 Stück zu verringern. Ducati soll (offenbar auf Wunsch von Aprilia und KTM) mit nur 140 Testreifen pro Jahr abgespeist werden.
Ein europäischer Hersteller (aus dem Norden von Italien) hat sogar vorgeschlagen, Ducati 2024 weniger als die üblichen 22 Reifen pro Wochenende in die Allocation zu geben. Aber dann müssten die Desmosedici-Piloten oft mit gebrauchten Reifen auf Zeitenjagd gehen – ein Risikofaktor.
Eigentlich sind die existierenden MotoGP-Vorschriften bis Ende 2026 festgeschrieben. Es war nie vorgesehen, sie aufzuweichen, wenn ein Hersteller eine dramatische Überlegenheit ausspielt wie Ducati: 15 Siege bei 18 Grand Prix, 16 Pole-Positions, fünf Piloten in der Fahrer-WM in den Top-8 und drei in den Top-3, die Marken-WM zum vierten Mal in Serie gewonnen.
Der Stand in der Konstrukteurs-WM: 1. Ducati, 626 Punkte. 2. KTM 334. 3. Aprilia 292. 4. Yamaha 176. 5. Honda 169.
Ducati hat also in der Konstrukteurs-WM 291 Punkte Vorsprung auf KTM. Aber KTM und Yamaha sind nur durch 158 Punkte getrennt.
Momentan werden Honda und Yamaha für 2024 folgende «concessions» in Aussicht gestellt:
- Motorenentwicklung ab Saisonstart nicht eingefroren;
- Zwei Motoren pro Fahrer mehr als die Europäer, also zehn statt acht;
- Vier statt drei Teststrecken;
- Zwei statt ein Aero-Update pro Fahrer und Saison;
- Beliebig viele zusätzliche Testtage für die Stammfahrer. Zum Beispiel auch Teilnahme am 3-Tage Shakedown-Test in Sepang.
Die geplanten Einschränkungen für Ducati:
- Zwei statt sechs Wildcards pro Jahr (oder gar keine), damit nicht neun Ducati im 23-Fahrer-Feld mitfahren wie in Sepang;
- 140 statt 170 Testreifen pro Saison.
MotoGP-WM-Stand nach 35 von 39 Rennen:
1. Bagnaia 412 Punkte. 2. Martin 398. 3. Bezzecchi 323. 4. Binder 254. 5. Zarco 200. 6. Aleix Espargaró 198. 7. Viñales 175. 8. Marini 171. 9. Quartararo 156. 10. Miller 156. 11. Alex Márquez 149. 12. Di Giannantonio 100. 13. Morbidelli 93. 14. Marc Márquez 84. 15. Bastianini 76. 16. Oliveira 76. 17. Augusto Fernández 69. 18. Rins 54. 19. Nakagami 52. 20. Raúl Fernández 40. 21. Pedrosa 32. 22. Mir 24. 23. Pol Espargaró 13. 24. Savadori 9. 25. Folger 9. 26. Bradl 8. 27. Pirro 5. 28. Petrucci 5. 29. Crutchlow 3.
Author: John Johnson
Last Updated: 1702686003
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